Wer mehr verdient – genauer: ein höheres Einkommen hat – lebt länger…

Österreich: Die reichsten 1 Prozent besitzen rund 40 Prozent des gesamten Vermögens

Wir sind alle reich – alle, aber nicht jede/r

„Globale Geldvermögen auf Rekordhoch“ – schreibt Die Welt auf ihrem Online-Portal am 27.9.2017. Basis für diese Behauptung ist der sog. „Global Wealth Report“ (download hier), den das Versicherungsunternehmen Allianz publiziert. Rund 50.000 Euro Nettovermögen besitzen die Deutschen durchschnittlich, fast 180.000 Euro die US-Amerikaner. Und warum gibt es diesen Unterschied? Die Deutschen investieren einfach zu wenig in Wertpapiere bzw. Aktien. Sagt die Allianz.

„‚In anderen Ländern lassen die Leute das Geld für sich arbeiten, in Deutschland müssen wir für das Geld arbeiten‘, bilanzierte Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise bei der Vorstellung des ‚Global Wealth Reports 2017’… „,

so Die Welt (Online-Portal, 27.9.2017; viele andere Zeitungen zitieren diesen Satz kritiklos).

Sind „die Deutschen“ nun reich? Falsch ist die Aussage nicht. „Alle, nicht jeder“ – so lautet der Titel eines Buches von Noelle-Neumann/Petersen (2005), und so kann man auch die Vermögenslage der Deutschen beschreiben. Wir sind zwar alle insgesamt wohlhabend, aber nicht jede/r. Manche sind eben reich, die anderen arm. Das ist bekannt.

Bild 1: Screenshot eines Ausschnitts von Seite 51 des Knight Frank Reports (2017)

Bild 1: Screenshot eines Ausschnitts von Seite 51 des Knight Frank Reports (2017)

Es lohnt sich, den „Global Wealth Report“ der Allianz mit dem „Knight Frank Wealth Report“ zu vergleichen, nicht hinsichtlich der Fakten, sondern der Aufmachung. Der Allianz-Report berichtet recht nüchtern mit Zahlen und Grafiken. Der Knight Frank-Report setzt dagegen unverhüllt auf eine Ästhetik des Reichtums. Da ist von einem „Luxury Investment Index“ die Rede; wir bekommen eine Liste der Luxusgüter genannt, die offenbar unser Begehren wecken oder gar repräsentieren soll (Bild 1).

Bild 2: Screenshot eines Ausschnitts von Seite 49 des Knight Frank Reports (2017)

Als Luxusgüter nennt der Report Objekte wie Autos, Juwelen, Kunst, chinesische Keramik und – nicht sehr sinnlich, wie ich finde, aber vielleicht lukrativ – Briefmarken (Bild 1). Ästhetik und Erotik gehen Hand in Hand. Als begehrenswert präsentiert werden (Frauen auf) Luxusyachten (Bild 2).

Warum interessieren sich Unternehmen wie die Allianz und Knight Frank für die Reichen, wer wie reich ist und was die Reichen kaufen? Weil solche Unternehmen mit Geld Geld machen. Die Allianz stellt ihre Ressourcen und Ergebnisse deren Nutzung so dar: „Die Allianz ist einer der weltweit führenden Versicherer und Asset Manager mit 86 Millionen Privat- und Unternehmenskunden. 2016 erwirtschafteten über 140.000 Mitarbeiter in mehr als 70 Ländern einen Gesamtumsatz von 122,4 Milliarden Euro und erzielten ein operatives Ergebnis von 10,8 Milliarden Euro. Die Allianz Gruppe betreute per Ende 2016 ein Investmentportfolio von 653 Milliarden Euro. Hinzu kamen bei unseren Asset Managern AllianzGI und PIMCO über 1,3 Billionen Euro an für Dritte verwaltete Vermögen.“ (https://www.allianz.com/de/presse/news/studien/170927_allianz-global-wealth-report-2017, abgerufen am 2.10.2017.

Leseempfehlung: „Dossier Debatte um Ungleichheit und Umverteilung“ http://www.labournet.de/politik/wipo/finanzmaerkte/steuerpolitik/debatte-um-ungleichheit-und-umverteilung/. Hier gibt es Links auf zahlreiche Studien zur Einkommens- und Vermögensverteilung.

Referenzen

Kann ich einen Termin für die Zulassung meines Autos kaufen? Na klar! Optimale Allokation über Preise…

Lange auf einen Termin für die Zulassung meines Autos warten müssen? Nein, das will ich nicht. Und ich freue mich über das Angebot, einen früheren Termin kaufen zu können. Oder?

(Bildquelle: http://www.rbb-online.de/politik/beitrag/2015/04/kfz-zulassung-handel-mit-terminen.html)

In Berlin gibt es schon länger einen „Terminhandel“.

„Senat bestätigt Handel mit Bürgeramt-Terminen
Dass in Berlins Bürgerämtern die Termine knapp sind, hat einige Privatleute zu einem Geschäftsmodell inspiriert: Sie verkaufen vorab reservierte Termine an Suchende. Diesen Missstand bestätigte nun die Innenverwaltung in ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage der Piratenpartei. Mögliche Konsequenzen würden überprüft.
Privatleute haben die Terminknappheit in Berlins Bürgerämtern zu nutzen gelernt: Sie handeln mit vorab reservierten Terminen. Das bestätigte der Staatssekretär für Inneres, Andreas Statzkowski, nach einer Anfrage der Piratenpartei zumindest für ein Amt: „Dem Senat ist aus einem von vierzig Bürgerämtern bekannt, dass vor Ort vereinzelt von Privaten Termine zum Kauf angeboten wurden“, so die Antwort in der schriftlichen Anfrage vom 8. Juni.
Zudem gebe es ein privates Internetangebot für Bürgeramtstermine, das bezahlt werden muss. Dort würden Termine für die Beantragung eines Reisepasses oder Personalausweises oder zur Anmeldung einer Wohnung verkauft. „Der Senat prüft derzeit die möglichen technischen und rechtlichen Konsequenzen“, erklärte Statzkowskis in seiner Stellungnahme.“ Quelle: http://www.rbb-online.de/politik/beitrag/2015/07/verkauf-von-buergeramt-terminen.html (Neu ist die Angelegenheit nicht, siehe den Beitrag von Barbara Klopp vom 17.04.2015).

Wenn die Zeit doch ein knappes Gut ist, jedenfalls habe ich das in meinem Studium der Wirtschaftswissenschaften gelernt, dann stellt sich die Frage, ob eine Koordination über Preise nicht auch für die Zuteilung von Terminen die effizienteste Form wäre. Am besten eine öffentliche Versteigerung von Terminen?

Der Philosoph Michael Sandel wendet (in seinem Buch „Was man für Geld nicht kaufen kann – die moralischen Grenzen des Marktes . Berlin: Ullstein 2012) allerdings unter anderem ein, dass Menschen unterschiedliche finanzielle Mittel haben und hieraus  Ungerechtigkeit entsteht. Die Ärmeren müssen länger warten als die Reicheren. Aber ist das nicht generell ein Zustand, den die meisten von uns als Normalzutand akzeptieren? Wenn ich das Geld nicht habe, kann ich mir eben die Villa, die Yacht, den Computer oder auch das Essen – zumindest im Restaurant – nicht ohne weiteres „leisten“. Was ist daran ungerecht? Oder sollte man so weit gehen, dass Ungleichheit grundsätzlich ethisch problematisch ist, zumindest dann, wenn sie ein bestimmtes Ausmaß übersteigt? Ab welchem Ausmaß wollen wir Ungleichheit nicht mehr akzeptieren?

Oder sollte man, wie Sandels Überlegungen es nahelegen, bestimmte Güter und Dienstleistungen vom Handel, vom Markt, ausnehmen? Termine bei öffentlichen Ämtern wären dann nicht käuflich und handelbar. Allerdings müssten wir Kriterien haben, die uns erlaubten, zu entscheiden, was „der Markt regeln“ (was „die Märkte nicht alles so machen“, … vgl. dazu auch den Blogbeitrag von Ronald Hartz mit entsprechenden Verweisen ) soll und was nicht.

Lösungen sind nicht leicht zu finden. Die Antwort kann aber nicht sein, dass Märkte alles besser regeln und daher bei Koordinationsproblemen nur in diese Richtung zu suchen ist. Ein Verbot des Handels mit Terminen wäre doch schon mal ein guter Ansatz.

Reichsein macht reicher, armsein ärmer. DIW Berlin: „Einkommensungleichheit verharrt auf hohem Niveau.“ Acht Fragen an Markus Grabka

„Einkommensungleichheit verharrt auf hohem Niveau.“ Acht Fragen an Markus Grabka

Herr Grabka, Sie haben die Einkommensungleichheit in Deutschland analysiert. Ist die Schere zwischen arm und reich weiter auseinandergegangen?

Schaut man sich die Entwicklung seit dem Jahr 2000 an, so kann man eindeutig sagen, dass die Schere zwischen den ärmeren und reicheren Einkommensschichten auseinandergegangen ist. Die oberen zehn Prozent der Einkommensbezieher haben in diesem Zeitraum reale Einkommenszuwächse von mehr als 15 Prozent erzielt. Die breite Mittelschicht stagniert mit ihren Realeinkommen, während die unteren 40 Prozent sogar reale Einkommensverluste erlitten haben.

via DIW Berlin: „Einkommensungleichheit verharrt auf hohem Niveau.“ Acht Fragen an Markus Grabka.

Kann man die Staatsbürgerschaft und das Aufenthaltsrecht in einem Staat kaufen?

Ja, kann man. Malta verkauft die Staatsbürgerschaft für 1,15 Mio. Euro – so „DIE ZEIT“ (vom 29.4.2015, S. 28). Neu ist das nicht:

„Malta steht nicht allein. Auch Zypern verkauft seine Staatsbürgerschaft für drei Millionen Euro. Billiger ist es in Bulgarien: Wer 500.000 Euro investiert, kann ohne Sprachkenntnisse eingebürgert werden. Großbritannien vergibt gegen eine Investition von einer Million Pfund zunächst ein Visum, nach fünf Jahren unbegrenztes Aufenthaltsrecht und nach sechs Jahren den Pass. Auch Österreich verkauft EU-Pässe gegen Millionen-Investitionen…“ (Die Welt, Online-Ausgabe vom 22.8.2014]])

Siehe dazu auch das Video von Michael Sandel.

„Wall Street bonuses twice the income of all minimum wage workers“

„1,007,000 Americans working full-time earn the federal minimum wage of $7.25 per hour. All of that pay, to all of those people, for all of 2014 adds up to $14 billion dollars. And that is less than half of what employees on Wall Street earned in bonuses alone.“ (Source: http://thesocietypages.org/socimages/2015/04/18/wall-street-bonuses-twice-the-income-of-all-minimum-wage-workers/)

Germany – Chartbook of Economic Inequality

Max Roser gives an „Overview of Trends of Economic Inequality in Germany„. This is his summarizing interpretation of the data, see also his wonderful chart.

Has the dispersion of earnings been increasing in recent decades? – Yes, top decile has risen from 150 per cent of median in 1950s to 190 per cent at end of 2000s.
Has overall inequality increased in recent years? – Yes, the Gini coefficient in 2010 was 3 percentage points higher than in 1998.
Have there been periods when overall inequality fell for a sustained period? – Overall inequality (and poverty) fell over the 1960s and 1970s.
Has poverty been falling or rising in recent decades? – Poverty rate increased from 10 per cent to 15 per cent between 1998 and 2010.
Has there been a U-pattern for top income shares over time? – No, top gross income shares were relatively stable over post-war period.
Has the distribution of wealth followed the same pattern as income? – Yes, Gini coefficient of individual wealth fell 10 percentage points from 1973 to 1993 and then began to rise.“

via Germany – Chartbook of Economic Inequality | Source: Blog post by Max Roser