Näherinnen in Indien können 50% mehr Lohn bekommen – „jetzt liegt es an den Konsumierenden“…

Auf der Webseite des Fair Share-Pilotprojektes heißt es:

„Wir alle wissen: In vielen Produktionsländern sind die vom Staat festgelegten Löhne zu niedrig für ein anständiges Leben der NäherInnen. Was aber ist ein fairer – also existenzsichernder – Lohn? Und was bedeutet die Zahlung fairer Löhne für ein T-Shirt?

Gemeinsam mit Continental Clothing und BSD Consulting haben wir in dem FAIR SHARE Pilotprojekt recherchiert, was ein fairer, existenzsichernder Lohn in Tirupur in Südindien bedeuten würde. Nach unseren Recherchen sollten NährerInnen mit dem geringsten Einkommen in der Fabrik gut 50% mehr Lohn bekommen als der Staat aktuell vorschreibt. Bei bei der Produktion eines T-Shirts bedeuten 50% mehr Lohn aufgrund der niedrigen Löhne nur knapp 10 Cents mehr Kosten.

Continental Clothing wird nun sehr bald zusammen mit uns die FAIR SHARE T-Shirts lancieren. Pro T-Shirt zahlt Continental Clothing der Fabrik 14 Cents mehr für höhere Löhne der ArbeiterInnen. Das Geld wird unter allen ArbeiterInnen in der Nähfabrik des Lieferanten verteilt. Seit Januar 2016 bekommen die ArbeiterInnen einen höheren Lohn, der bisher leider nur einen Teil eines Living Wages darstellt (also „FAIR SHARE“), weil es sich um ein Pilotprojekt mit gut 100.000 Stück handelt. Die Fabrik produziert aber viel mehr. Wenn wir das Pilot-Projekt ausweiten können, dann werden alle NäherInnen einen fairen Lohn bekommen.

Jetzt liegt es an den Konsumierenden, ob sie bereit sind, etwas mehr Geld für ein T-Shirt zu zahlen, bei dem faire Löhne gezahlt werden. Bis auf das Alta Gracia Projekt kennen wir bisher kein Projekt, das bei einfachen Produkten wie T-Shirts faire Löhne zahlt, obwohl es im Prinzip so einfach ist.

Mit unserer FAIR SHARE Kampagne würden wir gerne zeigen, dass Konsumierenden und grünen Concept Stores faire Löhne wichtig sind – und dass Konsumierende und Firmen bereit sind, ein paar Cents mehr für einen fairen Lohn zu zahlen. Wir suchen Shops, die FAIR SHARE T-Shirts verkaufen und helfen, Konsumierende über die Hintergründe fairer/unfairer Löhne informieren.“
Quelle: http://www.getchanged.net/de/magazin/aktuell/faire-loehne-sind-moeglch-4533.html

Hier näht Herr Minister Müller.

Hier näht Herr Minister Müller.

Wer mag, kann die Kampagne hier unterstützen: www.getchanged.net/fairshare-campagne.  Aber: Ist das wirklich genug? Und was wird nicht getan, was wären Alternativen? Hier einige Gedanken:
1. Liegt es an den Konsumierenden? –  Es ist irreführend, den Konsumenten die Verantwortung zuzuschreiben: „Jetzt liegt es an den Konsumierenden“. Nach dem Motto: Wir, das Unternehmen, tun  etwas. Nun kauft unsere Kleidung und nicht die unserer Konkurrenten. Wenn ihr, liebe Konsumierende, nicht bei uns kauft, seid ihr Schuld an den niedrigen Löhnen. – Dies lenkt ab von Alternativen und hat (zumindest auch, wenn nicht sogar hauptsächlich) die Funktion einer Marketingkampagne.
2. Alle Maßnahmen sind freiwillig. Man kann, muss den selbst geschaffenen Regeln nicht folgen. Das ist aber zu wenig.  – Wie bei vielen durchaus positiven Initiativen, etwa dem „Bündnis für nachhaltige Textilien“ (https://www.textilbuendnis.com/de/) geht es um freiwillige Maßnahmen. So verpflichten sich die Unternehmen des Textilbündnisses dazu, Maßnahmenpläne zu erarbeiten, wie sie die Bedingungen in ihrer Zuliefererkette verbessern wollen. Freiwillige Maßnahmen können leicht von den Unternehmen wieder aufgegeben werden, es liegt in ihrem Ermessen, etwas zu tun oder nicht. Gestritten wird im „Textilbündnis“ unter anderem darum, inwieweit die Pläne veröffentlicht werden sollen  (siehe dazu  den Artikel „14 Cent pro T-Shirt lösen das Problem“ von Hannes Koch in der TAZ vom 30.6.2016, S. 7, der mich auch zu diesem Blogpost inspiriert hat). Die  WELT (http://www.welt.de/debatte/kommentare/article133359990/Das-Buendnis-fuer-nachhaltige-Textilien-ist-weltfremd.html) kritisierte  übrigens bei  Gründung des „Textilsbündnisses“ 2014 , dass dieses „weltfremd“ (also: WELt-fremd…) sei.
3.  Von Initiativen, die nicht auf Freiwilligkeit setzen, wird durch die oben genannten und ähnliche Aktionen abgelenkt.  Geeignetere oder zumindest parallel zu verfolgende Maßnahmen sind in den Anträgen der Oppostion im Bundestag enthalten:

„Ausgangspunkte der Debatte waren ein Antrag der Fraktion Die Linke (18/5203, 18/6181) und ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen (18/7881). In dem mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD (bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen) abgelehnten Linken-Antrag wird verlangt, dass deutsche Unternehmen, die im Ausland produzieren oder produzieren lassen, gesetzlich verpflichtet werden „menschenrechtliche und umwelttechnische Sorgfaltspflichten“ einzuhalten.

An die zuständigen Ausschüsse wurde der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen überwiesen. Darin setzt sich die Fraktion für mehr Transparenz in der Textilproduktion ein. Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich auf EU-Ebene für die Schaffung einer entsprechenden Richtlinie einzusetzen. Damit sollen europäische und auf dem europäischen Markt agierende Textilunternehmen verpflichtet werden, ein System aufzubauen, sodass die gesamte Produktions- und Lieferkette eines Produkts und seiner Bestandteile in allen Fertigungsstufen nachverfolgt werden kann. (fla/14.04.2016)“
Quelle: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2016/kw15-de-textilproduktion/417620

 

„Wall Street bonuses twice the income of all minimum wage workers“

„1,007,000 Americans working full-time earn the federal minimum wage of $7.25 per hour. All of that pay, to all of those people, for all of 2014 adds up to $14 billion dollars. And that is less than half of what employees on Wall Street earned in bonuses alone.“ (Source: http://thesocietypages.org/socimages/2015/04/18/wall-street-bonuses-twice-the-income-of-all-minimum-wage-workers/)

Robert Reich

„According to the Institute for Policy Studies, the $26.7 billion of bonuses Wall Street banks paid out last year would be enough to more than double the pay of every one of America’s 1,085,000 full-time minimum wage workers.“

via Robert Reich.

Affen sind auch nur Menschen – sie wollen gleichen Lohn für gleiche Arbeit

Was geschieht, wenn man zwei Affen für dieselbe Aufgabe unterschiedlich entlohnt?

Was würde die Equity-Theorie (Adams, J. Stacy (1965): Inequity in social exchange. In: L. Berkowitz (Hg.): Advances in Experimental Social Psychology, Bd. 2. New York: Academic Press., S. 267–299) prognostizieren, wenn Menschen für dieselbe Leistung unterschiedlich entlohnt werden? Zunächst einmal würde ein Gefühl der Ungerechtigkeit entstehen, Unzufriedenheit und eine Verhaltenstendenz, diese Unzufriedenheit zu reduzieren. Adams diskutiert unterschiedliche Möglichkeiten, die Menschen ergreifen, um die Unzufriedenheit zu reduzieren, und auch, wovon es abhängt, auf welche Weise man dies tut. Die Forderung nach „gleichem Lohn für gleiche Arbeit“ ist eine Reaktionsmöglichkeit. Andere Möglichkeiten bestehen etwa darin, dass wir uns einreden, dass die Ungerechtigkeit eigentlich keine sei. Menschen sind recht erfinderisch, sich Ungerechtigkeiten „wegzuerklären“. Etwa so: Vielleicht hat die Vergleichsperson doch mehr geleistet? Oder ich selbst „eigentlich“ doch weniger geleistet?

Das schöne Video ist ein Ausschnitt aus einer sehr sehenswerten, längeren Präsentation von Frans de Waal. Es zeigt anschaulich, wie unsere „engsten Verwandten“  spontan auf Ungerechtigkeit reagieren – wie wir. Wir verstehen sofort, wie der Affe sich fühlt, wie er verfügen wir über die Fähigkeit zur Empathie. (Eine interessante Frage ist, ob Affen in der Lage sind, kognitive Manipulationen vorzunehmen, um sich Ungerechtigkeit wegzuerklären und sie besser zu ertragen. Ich vermute, dass Affen das wenigstens ansatzweise können.)

„Ich betrachte Menschen als Tiere. Sie mögen komplizierte Tiere sein, aber bei Veranlagungen, die wir mit vielen anderen Tieren teilen – Wettbewerbsstreben, Dominanz, Empathie, Altruismus, Territorialität -, ist schwer vorstellbar, dass sie nichts mit unserer Evolution zu tun haben sollen.“ (Quelle: Frans de Waal in einem Interview; http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/verhaltensforscher-frans-de-waal-wir-sind-sehr-soziale-tiere-11107054.html)

(I found the link to the video in a post on Adbusters.org; thanks for that.)

„New database on minimum wages in 30 countries“

WSI Minimum Wage Database Now available in English: The WSI Minimum Wage Database with data from 30 countries …http://www.boeckler.de/wsi-tarifarchiv_44064.htm(Source: WSI-Tarif-Newsletter 2. October 2013)

Wer bekommt Weihnachtsgeld?

Gut die Hälfte (55 %) der Beschäftigten bekommt Weihnachtsgeld. Das zeigt eine Online-Umfrage (www.lohnspiegel.de)  von 17 Tausend Beschäftigten durch das WSI-Tarifarchiv der Hans-Böckler-Stiftung.
Es geht dabei um einen erheblichen Geldbetrag – das Weihnachtsgeld beträgt für viele Arbeitnehmer zwischen 50 und 100 Prozent eines Monatseinkommens.

Die Chancen, Weihnachtsgeld zu bekommen, sind geringer für Beschäftigte in Ostdeutschland, für Frauen, für „atypisch“ Beschäftigte, für Nicht-Gewerkschaftsmitglieder und für Beschäftigte, die nicht von einem Tarifvertrag erfasst werden.

Quelle: http://www.boeckler.de/14_41370.htm; http://www.boeckler.de/pdf/pm_ta_2012_10_30.pdf

Erfolgreicher Streik (?)

Nach einem 117 Tage dauernden Streik erhalten die Beschäftigten des Callcenters S-Direkt nun einen Mindeststundenlohn von 8,50 (brutto), der ab Januar 2014 auf mindestens 9 Euro angehoben wird. Zudem gibt es zwei Tage mehr Urlaub im Jahr (siehe dazu auch meinen früheren Blog-Beitrag). Die Frage, wie man mit rund 1000 Euro netto über die Runden kommt, blieb (materiell) unbeantwortet.  Weitere Informationen: Artikel der taz, Pressemitteilung von ver.di.

Streik im Sparkassen-Callcenter. Forderung: 8,50 Euro Stundenlohn


„Noch nie hat es in der Callcenter-Branche einen so harten Arbeitskampf gegeben. Die zentrale Servicestelle der deutschen Sparkassen wird seit 75 Tagen bestreikt. Doch es geht um viel mehr als nur 8,50 Euro Studenlohn. 956, das ist seine Zahl. Wenn Jan Kowalzik Anfang des Monats auf seinen Gehaltszettel schaut, steht da unten rechts: 956. So viel bleibt Kowalzik netto von seinen 1280 Euro brutto, für 40 Stunden Arbeit in der Woche. „Es ist ein Hungerlohn. Ich muss bei jedem Einkauf schauen, ob und was ich mir noch leisten kann“, sagt der 24-Jährige, der in Halle bei S-Direkt arbeitet, dem Callcenter der Sparkassen. Die Wohnungsmiete teilt er sich mit seiner Freundin. Am Ende bleiben ihm nur 600 Euro für Essen, Kleidung, Auto, Handy und sonstiges. Ein Leben als Niedriglohner.“

Quelle und mehr dazu: Thomas Öchsner/Harald Freiberger: Streik bei den Sparkassen Callcenter-Mitarbeiter wagen die Rebellion. SZ vom 22.09.2012